Beschreibung
Meine Abenteuer als Brauer fingen mit der unschuldigen Zeitungsanzeige eines Händlers für Hobbybrauerbedarf an. Ich hatte schon immer ein inniges Verhältnis zu Lebensmitteln und nun versprach man mir mein eigenes Bier mit geringem Aufwand selbst herstellen zu können – großartig. Dieser Verheißung folgend, machte ich mich schon wenige Tage später auf den Weg ins nördliche Ruhrgebiet um das nötige Brauzubehör und mein erstes Bierkit – ein hopfiges Altbier – zu kaufen.
Gerne würde ich berichten, dass meine ersten Brauversuche von Erfolg gekrönt waren, aber leider war der Anfang eher holprig. Der eingesetzte Bierbausatz entsprach eher einer glorifizierten Tütensuppe: Eingedicktes, geschmacklich eher zweifelhaftes Malzextrakt sollte mit Haushaltszucker gestreckt werden und statt die Würze mit aromatischem Hopfen zu kochen, wurde die Mischung kalt in einem gelben Plastikeimer angesetzt und lediglich mit einem Hopfendestillat beimpft.
Das Endresultat war so weit von einem Altbier entfernt, wie Spanien von der WM-Titelverteidigung. Es fehlten die Röstaromen und das Hopfenaroma die sonst so typisch für diesen Stil sind, es schmeckte „sprittig“ und hatte aufgrund eines Fehlers bei der Abfüllung praktisch keine Kohlensäure. Einige meiner Freunde kämpften sich trotz dieser Fehler mit mir durch den ersten Kasten selbst gebrautes Bier. Ich rechne ihnen diese Leistung heute immer noch an – nur wahre Freunde hätten nicht nach dem ersten Schluck die Segel gestrichen…
Es geht aufwärts
Über die kommenden Jahre habe ich meine theoretischen und praktischen Fähigkeiten als Brauer stetig weiterentwickelt. Ich habe jedes Buch zur Braugeschichte und zu Brautechniken verschlungen und das stetig wachsende Angebot von Online-Ressourcen zu diesem Thema ausgeschlachtet (für interessierte Anfänger ist z.B. „How To Brew“ von John Palmer eine guter und kostenloser Start). Zudem wich der gelbe Braueimer den verschiedensten Brauanlagen, die ich über die Zeit gebaut habe. Es bedarf am Anfang nicht viel um Bier zu brauen – im einfachsten Fall reicht leicht modifiziertes Küchenequipment. Meinen ersten Brauwettbewerb in New York habe ich beispielsweise mit einem Farmhouse Ale gewonnen, das ich in einer 1,5 qm großen Küche mit einem überdimensionierten Kochtopf gebraut hatte – nicht unbedingt der entspannteste Brautag, hat aber funktioniert. Vergoren wurde das Bier im Schlafzimmer (=kältester Raum in der Wohnung). Wenn man sich erst einmal daran gewöhnt hat, hat das melodische Blubbern des Gärspunds etwas enorm beruhigendes und sorgt für entspannten Schlaf beim Brauer (meine Frau ist sehr verständnisvoll).
Zusammen mit meinen eigenen Fähigkeiten hat sich jedoch auch meine Brauanlage weiterentwickelt, so dass ich inzwischen die oben gezeigte, digital gesteuerte Anlage gebaut habe mit der ich die meisten modernen Brauverfahren im kleinen simulieren kann und so die Rezepte für die neuen Onkel Biere entwickele. Darüber hinaus wird die Temperatur der Gärung ebenfalls genau gesteuert und ich bin nicht mehr darauf angewiesen, mich auf die Temperatur in meiner Wohnung zu verlassen. Die Ergebnisse des Brauvorgangs werden inzwischen in meinem einfachen privaten Labor (vormals Küche und ja meine Frau ist wirklich SEHR verständnisvoll) überwacht, so dass die Ergebnisse nachher im Großen auch möglichst erfolgreich umgesetzt werden können.
Trotz mancher Rückschläge am Anfang, kann ich jedem, der ein Interesse an gutem Bier hat den Selbstversuch des Bierbrauens unbedingt empfehlen. Das Angebot an Zubehör und Zutaten ist bei den verschiedenen Online-Shops inzwischen sehr breit und hochwertig und die Ressourcen, die es durch Blogs, Foren und Bücher gibt, bieten Anfängern sehr gute Hilfestellungen. Unabhängig davon, ob man seine Leidenschaft für Lebensmittel einmal zum Beruf macht oder nicht – ein Produkt selbst herzustellen, hat am Ende immer etwas Erfüllendes. Auf jeden Fall lernt man durch die Auseinandersetzung mit den Zutaten und dem Herstellungsprozess ein Alltagsprodukt wieder mehr zu schätzen, und zudem schlechtes Bier von gutem Bier zu unterscheiden.