Beschreibung
Berlin ist um eine Brauerei reicher. Aber die Holzmarkt Brauerei ist weder Start-Up noch hundert Jahre Tradition. Braumeister Marten Schmidt über die Geschichte dahinter.
Um die Geschichte der Holzmarkt Brauerei in Berlin erzählen zu können, muss man ein bisschen ausholen und ein Kapitel der jüngeren Stadtgeschichte aufschlagen. Ja, ja, Berlin schon wieder. Nicht der Nabel der Welt, sicherlich. Aber das hier ist spannend, weil es sich um eine Art überraschend geglücktes Experiment handelt, ein kleines städtebauliches Wunder. „Ein magischer Ort“, sagen die Betreiber des Holzmarkt-Geländes. Touristen aus aller Welt freut’s, Investoren und Städteplaner kommen aus dem Staunen nicht mehr raus.
Es gibt da nämlich mitten in der Stadt, im „Szenebezirk“ Friedrichshain, zwischen Alexanderplatz und Oberbaum-Brücke, direkt an der Spree ein ziemlich großes Areal, ein Filetstück, eigentlich, so zentral, so besonders, so am Wasser, so alles, was Grund und Boden in Großstädten eben so filetartig macht, das von einer Art fröhlichen Kommune, einer Genossenschaft, künstlerisch und bunte bespielt wird. Wo Holzbüdchen und Lauben stehen anstatt 14-stöckiger Hochhäuser mit Glasfassaden, schwinderlerregenden Quadratmeterpreisen und unbezahlbaren Blicken auf den Fluss.
Der Holzmarkt – ein „urbanes Dorf“, wie sie sagen
Wobei freilich unter dem Holz der Büdchen mittlerweile auch schon einiger Beton liegt und aus dem puren Spaß im Holzmarkt ist längst voller Ernst geworden. Die Holzmarkt Genossenschaft erbaut hier auf 10.000 m² ein kleines, freigeistig-kreatives Dorf mitten in der Stadt. Mit Restaurants, Weinhandlung, einer Kita, Studentenwohnungen, einer Biobäckerei – und einer eigenen Brauerei.
„Da, wo früher die Bar25…“ – „Ach so!“
Alles begann 2004 mit der Bar25, einem Techno-Club, aber nicht irgendeinem, sondern einem, der irgendwann als „berüchtigt“ galt, über den Dokumentarfilme gedreht wurden, der in jedem Reiseführer stand und fest zum Berlin der frühen 2000-er gehörte. DIE Bar25, also. 2010 schloss DIE Bar25, die Betreiber eröffneten am anderen Spreeufer einen neuen Club, den Kater Holzig, auf dem Bar25-Gelände entstand später der Kater Blau.
Über das ganze Hin und Her wurde immer viel gesprochen, gestritten und geschrieben, weil es, sehr vereinfacht gesprochen, immer ein bisschen „die Kreativen versus das Kapital“ war. Da wollten Projektentwickler tolle Hochhäuser am Wasser bauen – und da wollten Clubleute, Musiker, Künstler weiter feiern in einem beständig gewordenen Provisorium.
Das Ganze nahm einen spektakulären Ausgang – weil nicht „das Kapital“ sondern „die Kreativen“ obsiegten: 2017 übernahm die Genossenschaft Holzmarkt e.G. die Verantwortung für das Gelände am Holzmarkt und ließ hier nach und nach ihre Utopie vom „urbanen Dorf“ Wirklichkeit werden.
Holzmarkt Brauerei: ein Pilotprojekt
Zu diesem Dorf gehört jetzt auch Marten Schmidt. Im Frühling 2018 kam er an, frisch aus Schweden, wo der Braumeister unter anderem Biere für Sigtuna Brygghus & St Eriks gebraut hat. Davor war er in Kanada gewesen, davor USA, sechs Jahre unterwegs in der Welt. Und ganz, ganz davor hat er sein Studium an der VLB abgeschlossen. „Aber dann wollte ich schnell weg aus Deutschland“, sagt er. „Weg vom Reinheitsgebot.“ Ihm ist das einfach alles zu sehr „German Angst“, zu viel Sorge etwas falsch zu machen, zu viel Festhalten an althergebrachten Gewohnheiten. Spannender, sagt Marten, sei doch der Ansatz: „Was ist das Ziel, was für ein Bier will ich machen, wie soll es schmecken – wie man dies bestmöglich umsetzen kann.“
Es brauchte schon Einiges, Marten zu überzeugen, nach Deutschland zurückzukehren. Aber dieses Projekt hier war spannend genug: Der dänische Braukonzern Carlsberg startete ein Pilotprojekt und suchte einen Braumeister für seine erste mobile Brauerei in einem Überseecontainer. 10-Hektoliter-Sudhaus von Kaspar-Schulz plus Gär- und Lagertanks, kompakt in drei Schiffscontainern verbaut, kleine Abfüllanlage, alles in einem Cubus, „plug and play“ sozusagen – warum nicht. „Auch wenn ich eigentlich echt nicht für einen Braukonzern arbeiten wollte“, wie Marten sagt.
Die Holzmarkt Brauerei ist ein Überseecontainer
Das tut er jetzt insofern, dass Carlsberg dem Holzmarkt e.V. diesen Container auf den Hof gestellt hat, im Schatten der S-Bahn-Bögen, direkt neben dem Club, da, wo die Dekos des Kater Blau (Mäuse, gigantisch große, weiß Mäuse, natürlich, die der Kater frisst) und sonst noch so Krempel des urbanen Dorfes lagert. Das Sudhaus der Holzmarkt Brauerei also geht auf Carlsberg – das fertige Bier verkauft der Holzmarkt.